16.03.2020 Hinter den Kulissen

Ich hätte nie gedacht, dass es in diesem Leben noch dazu kommen würde, dass ich praktische Lebenstipps verteile. Aber ab heute sind in Österreich Ausgangsbeschränkungen in Kraft, die von uns allen im Wesentlichen eines verlangen: zuhause zu bleiben und von sozialen Kontakten Abstand zu nehmen.

Darin ist eine Berufsgruppe Meister: die Schriftsteller.

Was jetzt auf uns zukommt, entspricht eigentlich meinem Leben in Schreibphasen. Die letzten Monate vor der Abgabe eines Romans habe ich stets so verbracht: zuhause eingesperrt und niemanden sehend. Das war selbst gewählt, völlig freiwillig und trotzdem nicht ganz leicht. Daher hab ich hier ein paar Dinge zusammengeschrieben, die ich in diesen Phasen gelernt hab:

  1. Zeitroutine bewahren / Nichts ist verlockender als auszuschlafen. Und das kann man ja auch machen, aber mit Maß und Ziel. Ich hab während des Schreibens meines ersten Romans zu Beginn völlig das Zeitgefühl verloren. Ich blieb in der Nacht auf, meist um halt noch eine Folge von irgendwas zu schauen, und noch eine Folge … nur um dann in der Früh nicht aus dem Bett zu kommen, völlig im Tag verloren zu gehen und irgendwann gar nicht mehr aufstehen zu können. Wer gerne schläft, nutze das, doch ich kann Euch nur empfehlen, für Euch selbst festzulegen, wann aufgestanden und wann schlafen gegangen wird. Zu viel Erholung macht auch antriebslos.

  2. Urlaub ist Urlaub, Wochenende ist Wochenende / Natürlich könnte man diese Situation auch dazu nutzen, einfach mal Urlaub zu machen, aber dies sollte bewusst geschehen. Ich bin seit 9 Jahren selbstständig und in dieser Daseinsform gibt es manchmal Wochen voller Termine, manchmal ohne einen einzigen Grund, irgendetwas zu machen. Und ich hab solche Phasen dann oftmals als Urlaub genutzt – aber in vollstem Bewusstsein darüber. Das gleiche gilt für das Wochenende. Ich kann nur für mich reden, aber nur von Tag zu Tag zu stolpern, hat mich persönlich depressiv gemacht. Ich fühlte mich dann sinnlos und nicht mehr im Boden verankert. Daher hab ich mir antrainiert, einen Unterschied zu machen zwischen Wochenenden und Wochentagen, ebenso zwischen „Urlaub“ und „Nicht-Urlaub“

  3. Things To Do / Gerade als Schriftstellerin hat man ja selten so richtige „To Dos“, aber zu tun gibt’s immer was. Für mich hat sich als super herauskristallisiert, mit Listen zu arbeiten: Was hab ich in der nächsten Zeit zu tun? Manche Leute arbeiten diese Listen ab, indem sie festlegen, welchen Punkt sie an welchem Tag machen, andere, indem sie sich entscheiden, an einem Tag so und so viel Zeit auf das Abarbeiten der Liste aufzuwenden. (Ich persönlich bin eher Typ 2, aber das müssen alle für sich entscheiden). Kleine Erfolge, alles, was man erledigt, heben die Stimmung. Und das wird, wenn die Isolation noch mehrere Wochen weitergeht, dringend nötig sein. Sich zu beschäftigen, um nicht niedergeschlagen zu sein.

  4. Körperpflege / Die letzten Wochen, in denen ich meinen ersten Roman zu Ende schrieb, verzichtete ich auf Duschen und Haarewaschen und lief nur noch im labbrigen Pyjama herum. Meine Laune war schlecht, ich hab mein Leben gehasst. Beim zweiten Roman hab ich mich schließlich gezwungen, mich jeden Tag zu duschen, anzuziehen, ein wenig zu schminken und mir die Haare zu machen. Obwohl ich niemanden gesehen hab. Aber: das half mir total. Man fühlt sich einfach besser, wenn einen aus dem Spiegel keine Ruine anschaut. Und man kann das ja sogar nutzen, um Kleidung gewagter zu kombinieren oder das zu tragen, was man sonst nie trägt, weil das Wetter zu kalt, zu warm, zu … Ihr wisst, was ich meine. „Chin up“, sagen die Engländer. Kinn hoch, Haltung bewahren. Und ja: innen ist wichtiger als außen, aber oft kann man das Innere besser in Schuss halten, wenn man das Äußere nicht vernachlässigt. Das ist zumindest meine Isolations-Erfahrung. :)

  5. Selfcare / Auch, wenn Ihr nun lange allein seid: Kocht Euch was Gutes! Bewegt Euch! In den Hardcore-Schreibphasen waren Essen und Bewegung meine Highlights des Tages. Ich bin zwar mittlerweile verheiratet, esse aber, da mein Mann viele Dienste hat, oft alleine und hab mir angewöhnt, das zu zelebrieren: schöne Servietten aufzulegen, eine Kerze anzuzünden, Blumen auf den Tisch zu stellen – der Tag braucht diese kleinen Highlights, an denen wir uns erfreuen können. Das kann auch eine Online-Yoga-Stunde oder etwas Eigen-Körper-Gewicht-Training sein, gefolgt von einem köstlichen Mahl!

  6. Echten Kontakt nach außen halten / Social Media sind nicht echter Kontakt. Ruft Eure Freunde und Familie nun öfter an denn je. Als ich meinen zweiten Roman zu Ende schrieb, hab ich jeden Tag mit meiner besten Freundin telefoniert. Und das tat so gut! Vielleicht ist diese Zeit auch die Chance, vermehrt mit Menschen zu telefonieren, mit denen man sonst nie oder selten spricht. Eine Chance, mal stundenlang mit wem zu quatschen, den man schon zwei Jahre nicht gehört hat. Social Media geben einem zwar das Gefühl, nicht allein zu sein, aber das kann auch trügerisch sein, wenn man stundenlang davor hängt und dabei doch nur noch mehr vereinsamt.
    Und am wichtigsten:

  7. Nicht vergessen: das geht wieder vorbei / In all meinen Schreib-Isolations-Phasen war ich auch zwischendurch am Boden zerstört, wollte raus, wollte was machen, wollte nicht mehr allein sein, und geholfen hat das simple Bewusstsein, dass es im Leben solche und solche Zeiten gibt. Und zuweilen muss man durch die harten durch, um die schönen zu genießen. Ich bin ja zuversichtlich, dass wir alle den Sommer unseres Lebens haben werden. Dafür dürfen wir uns nun nicht aus dem Konzept bringen lassen.

Falls Ihr noch Fragen habt, falls es Euch nicht gut geht und Ihr meint, ich könnte Euch vielleicht helfen, dann schreibt mir!

Ich stehe Euch allen jederzeit als Quarantäne-Coach zur Verfügung:
leserbriefe@vea.kaiser.de

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Vea Kaiser wurde 1988 geboren und lebt in Wien. 2012 veröffentlichte sie ihren ersten Roman Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam, … weiterlesen

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